Sind unsere Straßen fit fürs automatisierte Fahren?

30. März 2023 – Der US-Berater Robert Dingess berichtet im Interview, inwieweit die Verkehrsinfrastruktur unseres Planeten bereits vorbereitet ist, um dem automatisierten Fahren den Weg zu ebenen. Gut instandgehaltene Fahrbahnmarkierungen kommt hier eine zentrale Rolle zu.

Herr Dingess, wo stehen wir derzeit international beim Thema Fahrbahnmarkierungen in Verbindung mit automatisiertem Fahren?

Robert Dingess: Es wird immer deutlicher, dass Straßenmarkierungen das wichtigste Verkehrssteuerungsinstrument zur Unterstützung der Fahrzeugautomatisierung sind. Dementsprechend arbeiten die Regierungen der Vereinigten Staaten, Deutschlands und Japans an einem stärker harmonisierten, überwachten und besser gewarteten System der Fahrbahnmarkierungen. Die deutschen und japanischen Anstrengungen konzentrieren sich auf die Verbesserung der Simulationsmodelle, indem sie sich mit dem Kontrast und der Abnutzung von Markierungen befassen. In den Vereinigten Staaten hat das Verkehrsministerium Standards für breitere Fahrbahnmarkierungen, die Einbeziehung von gepunkteten Randlinien an Ausfahrts- und Einfahrtsrampen und die Festlegung eines Mindeststandards für die Retroreflexion festgelegt, um die Instandhaltung von Fahrbahnmarkierungen zu verbessern. Die Originalhersteller (OEM) versuchen, die gesammelten Sensordaten zur Verbesserung der Verkehrssicherheit zu nutzen. Das ROMO-Projekt von Mercedes mit der niederländischen Regierung und das Projekt Future Roads von General Motors sind Beispiele für Initiativen des privaten Sektors mit großem Potenzial zur Verbesserung der Markierungspflege und der Straßensicherheit.

Sie sprechen ein besseres Verständnis hinsichtlich der gestellten Anforderungen an Fahrbahnmarkierungen an. Wo auf der Welt werden bereits Standards und Spezifikationen hinsichtlich automatisierten Fahrens stark vorangetrieben?

Dingess: Wenn man Regierungsvertreter weltweit fragen würde, wie das jeweilige Straßennetz auf das automatisierte Fahren vorbereitet wird, würde man wohl unterschiedlichste Antworten erhalten. Das liegt auch daran, dass es viele unterschiedliche gesetzliche Regelungen gibt. Sobald man das SAE-Level 2 verlässt, wird es rechtlich kompliziert. Klar ist jedoch, dass die Zuverlässigkeit des Straßennetzes und dessen Harmonisierung ein wesentlicher Schlüssel sind, damit automatisierte Systeme – egal, ob Fahrerassistenz oder Vollautomatisierung – sicher funktionieren. So muss etwa ein Spurhaltesystem problemlos den Straßenrand oder die jeweilige Fahrspur finden. Das funktioniert am einfachsten mit gut gepflegten Fahrbahnmarkierungen. Es gibt jedoch nur wenige wissenschaftliche Daten, die es rechtfertigen, die Fahrbahn speziell für die Unterstützung hochautomatisierter Systeme zu verändern. Unser Ansatz bestand darin, die Prinzipien der Bildverarbeitungstechnologien zu verstehen, und Änderungen vorzuschlagen, die bereits nachweislich die Sicherheit für menschliche Fahrer verbessern.



US-Experte Robert Dingess betont die Bedeutung von intakten Fahrbahnmarkierungen für das automatisierte Fahren. Dementsprechend forscht SWARCO Road Marking Systems gemeinsam mit Partnern gezielt an Markierungssystemen, die automatisiertes Fahren bestmöglich unterstützen.


Welche Aspekte halten Sie bei diesen Spezifikationen für besonders wichtig?

Dingess: Das ist eine gute Frage. Sie hängt in hohem Maße von dem verwendeten Maschinensystem und der zu automatisierenden Tätigkeit ab. Je komplexer, desto weiter muss das System vorausblicken können - ähnlich einem menschlichen Fahrer. Dementsprechend müssen gute Markierungen vorhanden und erkennbar sein, um die Zuverlässigkeit des Systems zu gewährleisten. Wichtig ist, dass die Fahrbahnmarkierungen möglichst einheitlich sind und regelmäßig instandgehalten werden. Im Hinblick darauf werden wohl die erfassten Sensordaten wertvoll werden. Sie könnten in Echtzeit wichtige Informationen über den Zustand der Fahrbahnmarkierungen liefern – und somit die Art und Weise, wie Markierungen instandgehalten werden, völlig verändern.

In Europa war Deutschland das erste Land, das eine technische Freigabe für ein SAE-Level 3-System erteilt hat. Worauf, glauben Sie, begründet sich hier Deutschland Pionierrolle?

Dingess: Deutschland hat 900.000 Arbeitsplätze im Automobilbau und das zweitgrößte Autobahnnetz in Europa. Kein anderes EU-Land profitiert mehr von einer starken Automobilindustrie. Es überrascht nicht, dass man daher, den Einsatz von SAE-Level 3-Technologien auf deutschen Straßen ermöglicht hat. Diese rechtlichen Regelungen werden wahrscheinlich als Maßstab für die EU dienen. Es mag zwar viel verlangt sein, aber ich würde mir wünschen, dass Deutschland auch eine ähnliche Vorreiterrolle einnimmt, wenn es um die Festlegung von EU-Normen für die Qualität von Straßenmarkierungen geht. China (161.000 km) und die USA (96.000 km) sind bereits dabei, die Markierungsstandards zu verbessern, um ihre Autobahnnetze für automatisiertes Fahren vorzubereiten. Deutschland muss zumindest sicherstellen, dass das transeuropäische Straßennetz (137.000 km) mit diesen Bemühungen Schritt hält. Andernfalls könnte es passieren, dass die in Deutschland hergestellten ADAS-Systeme nur in Deutschland gut funktionieren.

Ein vom Consulting-Unternehmen McKinsey veröffentlichter Bericht hat dem automatisierten Fahren hohes Potenzial bescheinigt, sieht aber auch noch große Ungewissheit in diesem Bereich. Wie lautet Ihre Prognose für die kommenden Jahre?

Dingess: Die letzten Monate waren für viele, die sich mit automatisiertem Fahren beschäftigen, nicht einfach. Zu viele Unternehmen sind in den Markt für LiDAR-Sensoren eingestiegen. Der Mangel an Mikrochips erstickt die Innovation und ein Großteil des Kapitals, das zuvor in diese Branche geflossen ist, zielt nun auf den Bereich der Elektrofahrzeugtechnik ab. Richtig ist jedenfalls, dass das SAE­Level 5 für mindestens noch ein Jahrzehnt unwahrscheinlich bleibt. Fortgeschrittene Spurhalteassistenzsysteme werden den globalen Markt für Fahrautomatisierungstechnologien für den Rest des Jahrzehnts dominieren, während der menschliche Fahrer für den sicheren Betrieb verantwortlich bleibt. Auf Autobahnen werden wir Mitte des Jahrzehnts in der Tat etwas Automatisierung des Güterverkehrs und in Städten Zustellroboter erleben, allerdings nicht in einer derart hohen Zahl, dass dadurch Marktdisruption entstünde. Für die Fahrbahnmarkierungsbranche werden gesammelte und vernetzte Sensordaten entscheidend sein. Unsere Branche tritt in ein Zeitalter ein, in dem vernetzte Fahrzeugsensordaten ein tieferes Verständnis dafür vermitteln werden, wie Fahrbahnmarkierungssysteme die Verkehrssicherheit erhöhen und den Zustand der Straßenmarkierung überwachen und verwalten. Das wird vieles verändern – darauf bin ich jedenfalls gespannt!

ROBERT DINGESS ist Präsident der Mercer Strategic Alliance. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der US-Verkehrsgesetzgebung, Regulierung und Verbandspolitik Er war Direktor für Regierungsbeziehungen bei der American Traffic Safety Services Association (ATSSA), Präsident der Geospatial Transportation Mapping Association (GTMA) und hat in den letzten zehn Jahren dazu beigetragen, die Kluft zwischen der Automobil- und Verkehrsinfrastrukturindustrie im Namen der Marking Materials Coalition zu überbrücken.

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Qualitätsprodukte und Serviceleistungen von SWARCO Road Marking Systems leiten den Verkehr bei Tag und vor allem bei Nacht sicher von A nach B. Auf allen Straßen. Bei jedem Wetter. Aus einer Hand. Mehr als 5.000 Kunden in mehr als 80 Ländern vertrauen darauf.

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